140 Jahre Sektion

Ansprache zum Jubiläum und zur Jubilarehrung am 23.10.2009 von Wilhelm Schloz

Sehr geehrte Gäste und liebe Mitglieder der Sektion Schwaben, liebe Bergfreunde,

140 Jahre Sektion Schwaben bedeutet einen Zeitraum von 5 bis 6 Generationen, Kaiserreich, Republik, NS-Diktatur und Demokratie, ein Nachbarschafts- und 2 Weltkriege.

Das bedeutet aber auch: noch nahezu unberührte Alpen am Ende der Kleinen Eiszeit bis zum heutigen Einfluss des Menschen auf Umwelt und Klima, global und bis in den letzten Winkel der Berge.

Und es bedeutet: ungezählte Schwaben auf tausend Gipfeln der Alpen und der ganzen Erde; als Summe: sicher viele Millionen Stunden und Tage Erlebnis und Abenteuer in den Bergen und in der Natur, Bergsteigen, Sport- und Leistungsfreude in vielen Variationen, viel Glücklichsein und manchmal auch Trauer und Entsetzen.

Theodor Harpprecht, 1841-1885, war in den sechziger und frühen siebziger Jahren der vorvorigen Jahrhunderts der bedeutendste Bergsteiger und Erschließer in den Ostalpen unserer Region.

Große Bergfahrten sind ihm am Ortler gelungen, eine markante Rinne und andere Touren tragen dort bis heute seinen Namen.

-Erstbesteigung der Thurwieserspitze 1869 mit dem berühmten Glocknerführer Joseph Schnell aus Kals über den 50 °steilen Eisgrat, mit der Alpenstange, damals noch ohne Pickel und wegen der gefürchteten Stollen ohne Steigeisen.

-Da der Erfolg angezweifelt wurde, hat er ein Jahr später die 2. Besteigung mit Peter Dangl aus Sulden, durchgeführt und am Gipfel einen Steinmann errichtet; am nächsten Tag wurde noch „schnell“ die Königsspitze vom Tal aus überschritten.

Nach Gründung des Deutschen Alpenvereins in München, hauptsächlich durch den Curator Franz Senn aus Vent, unterzeichnete Theodor Harpprecht die Aufforderung, Sektionen zu gründen und sammelte im Schwabenland Gleichgesinnte um sich. Schon am 28. Oktober 1869 kam es dann zur Gründung der Sektion Schwaben, mit anfangs 19 Mitgliedern, wovon 11 im Damencafé in der Olgastraße anwesend waren. Im ersten Jahr wuchs die Zahl auf 85 und nach 10 Jahren auf 200 Mitglieder.

Man darf getrost sagen: Unsere Sektion Schwaben war die Urzelle fast aller DAV-Sektionen in Württemberg. Die Gründungen erfolgten teils aktiv aus der Sektion Schwaben heraus, z. B. Ulm 1879, Schwarzer Grat/Leutkirch 1881, Ravensburg 1888, Tübingen und Heilbronn 1891, teils aber auch aufgrund gesellschaftlicher Unterschiede, die es unbestreitbar damals noch gab, z. B. die Gründung der Sektion Stuttgart 1904.

Hier darf ich auch gleich unsere Gäste um Nachsicht bitten, wenn heute, aus gegebenem Anlass, unser „schwäbischer Sektionsstolz“ die schönsten Blüten treibt.

 

Carl Blezinger, 1843 -1888, aus Heidenheim war fast zur gleichen Zeit wie Harpprecht ein sehr tüchtiger Alpinist, dem in den Ost- und auch in den Westalpen große Bergfahrten gelungen sind. Ihm verdanken wir die Wahl des Jamtals als erstes Arbeitsgebiet und z.B. die Erstbesteigung des Augstenbergs vom neuen Stützpunkt aus.

Paul Dinkelacker, 1873-1958, führte ein bewegtes Leben, das bereits ein ganzes Buch füllt. Seinen Beinamen „Bundesvater“ bekam er von den Skifahrern. Vorstand unserer Sektion war er von 1920 bis 1933. Nach der Machtergreifung durch das nationalsozialistische Regime wurde er abgelöst. Der neue „Führer“ der Sektion musste Parteigenosse sein und demokratisches Handeln durch das Führerprinzip ersetzen. Dinkelacker blieb aber weiterhin in der Sektion und verstärkt im DAV-Dachverband aktiv. Er versuchte bestmöglich den DAV und die Sektionen vor der Gleichschaltung und der Unterwanderung durch das NS-System zu schützen, letztlich aber vergebens. Seine außerordentlichen Verdienste wurden sowohl im Deutschen Skiverband als auch in der Sektion Schwaben durch die Ehrenmitgliedschaft gewürdigt.

Die sportliche Karriere von Dr. Eugen Heinz, 1889-1977,begann als Torwart der 1. Fußballmannschaft des VfB in Stuttgart.Bald stieß er zur SAS und gestaltete die Jugendarbeit in der Sektion Schwaben. Er war ab 1953 unser Vorsitzender und leitete die Sektion erfolgreich bis zu unserem einhundertsten Jubiläum.

Eine zierliche Person von ungewöhnlicher geistiger Ausstrahlung. Höfliche und zugleich herzliche Liebenswürdigkeit, profundes Wissen, Durchsetzungsvermögen und Erfolg sind selten so in einem Menschen vereint.

Seine Verdienste lagen in der Rückgewinnung und Wiederherstellung unserer Hütten nach dem Krieg. In 10 Jahren wurden 1 Million Mark „schuldenfrei“ verbaut. Wie er es geschafft hat, geradezu „Spendenschleusen“ in dieser schwierigen Zeit des Wiederaufbaus für uns zu öffnen, ist bis heute ein Rätsel. Aber genauso und gleichzeitig hat er die Jugend, aktive Bergsteiger und deren Teilnahme an Expeditionen und Auslandsbergfahrten vorbildlich unterstützt.

Als Theologe und Philosoph waren für Prof. Dr. Ulrich Mann, 1915-1989,die ethischen und kulturellen Werte des Bergsteigens besonders wichtig. Dazu hat er in der Sektion viel Arbeit geleistet, seine Gedanken veröffentlicht und lebhafte Gespräche ausgelöst. In der DAV-Struktur hat er dann den großen Sprung in die Vereinsarbeit und als 1. Vorsitzender 1967-1974 an die Spitze des weltweit größten Bergsteigerverbands vollzogen.

Dr. Hans Faber, 1910-2004, warin seiner Jugend ein begeisterter Kletterer auf der Alb und nach dem Krieg einer der „12 Apostel“, die den Deutschen Alpenverein wieder begründet haben. Er war 2. Vorsitzender der Sektion, Leiter der Jugendkommission der internationalen Bergsportvereinigung UIAA und später 3. und 2. Vorsitzender des DAV in München. Auch als er beruflich und als DAV-Funktionär in Bayern lebte, ist er seiner schwäbischen Sektion und Heimat immer treu geblieben und hat uns auf vielfältige Weise unterstützt.

In 139 Jahren hatte die Sektion Schwaben 18 Vorsitzende und 2 Ehrenvorsitzende, Anton Entress und Dr. Eugen Heinz, und im 140. Jahr haben wir stolze 23.000 Mitglieder, 9 Bezirksgruppen und die Abteilung SAS.

Schweifen wir kurz ab ins kulturelle Leben. Die Feste der Sektion Schwaben genossen früher Kult-Status. Wir feiern heute bescheidener, aber wir feiern noch. Immer wieder sind Kenner der alpenländischen oder alpinen Geschichte und Kultur, der Walser, der rätoromanischen Sprache, bedeutender Alpenmaler wie Segantini oder der modernen Architektur in den Alpen in unseren Reihen hervorgetreten.

Ein schweres Kapitel unserer Geschichte ist die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland, die ab 1933 und bis zum Zusammenbruch am Ende des Krieges 1945 tief in den Alpenverein und auch in die Sektion gewirkt hat. Dieter Angst hat in seinen Nachforschungen fast alle Namen und einige Schicksale der damals zum Austritt gezwungenen jüdischen Mitglieder ermitteln können.

Es war ein sehr wichtiger Schritt in unserer Geschichte, dass die Sektion Schwaben im vorigen Jahr ihr tiefes Bedauern zu diesen Ereignissen, zu unseliger Anpassung,Intoleranz und Hass, beschlossen hat.

Genauso wie an die heute unvorstellbaren Vorgänge in dieser Zeit, möchte ich aber auch an kleine Lichtblicke der Standhaftigkeit erinnern, z.B. war das Dokument zur Zwangs- eingliederung des DAV und der Sektionen in den Reichsbund für Leibesübungen vom Oktober 1933 unterschrieben: „Berg Heil! Paul Dinkelacker, Heil Hitler! Paul Bauer“.

Paul Dinkelacker war der Sprecher der deutschen und österreichischen, föderalistischen und demokratischen AV-Sektionen, Paul Bauer war der Führer des nationalsozialistisch organisierten „Deutschen Bergsteiger- und Wanderverbands

 

In den Anfangsjahren des DAV, gehörte es zu den Pflichtaufgaben der Sektionen, die Ostalpen durch Hütten und Wege zu erschließen. Die Sektion Schwaben war damit im Rückstand, als Carl Blezinger das abgelegene Jamtal in der Silvretta für die erste Sektionshütte vorschlug. Abgelegen deshalb: Galtür war auf verschiedenen Wegen aber nur zu Fuß und mit etwa 8 bis 10 Stunden Anmarschzeit zu erreichen – in dieser Zeit sind wir heute bequem  bereits im Himalaya.

Das Mobiliar der 1882 eröffneten Hütte musste natürlich schwäbische Wertarbeit sein und wurde über einen dieser Wege nach Galtür und durchs Jamtal zur Hütte getragen.

Dann ging es Schlag auf Schlag, manchmal auch mit Rückschlag durch Lawinen und andere Schadensereignisse, mit Hallerangerhaus, Stuttgarter Hütte, Schwarzwasserhütte und Schwabenhaus im Gebirge sowie Harpprechthaus und Werkmannhaus auf der Alb, so dass die Sektion heute als ordentlicher Immobilienbesitzer mit einer soliden Bausubstanz dasteht.

Bau, Unterhaltung, Erweiterung, Sanierung, Modernisierung in der Umwelttechnik, Finanzierung usw. – eine Arbeit ohne Ende, die sich wie ein roter Faden durch unsere Sektionsgeschichte zieht. Alleine in den letzten 25 Jahren sind über 10 Millionen Euro,  in unseren Hüttenbesitz geflossen. Viele Beteiligte haben sich dabei wirklich große Verdienste um die Sektion erworben.

Um nicht dem falschen und unguten Wort vom “Hüttenbauverein“ Vorschub zu leisten, darf ich das Thema heute so stehen lassen, aber die Arbeiten und die Aufwendungen für unsere Hütten und für manchen Bergweg in den Arbeitsgebieten gehen weiter, lesen Sie nach in „Schwaben Alpin“.

 

Theodor Wundt (1858 Ludwigsburg – 1929, Stuttgart) war 1887 zur Sektion Schwaben gestoßen, ein herausragender Alpinist, leidenschaftlicher Bergfotograf und großer Schriftsteller. Von Beruf Militär, brachte er es bis zum General. Er studierte Biologie, Anthropologie Philosophie Geschichte und Politik aber viel stärker faszinierte ihn die „Tat“. Er hat viele seiner Bergfahrten im gesamten Alpenbereich in einer Reihe wunderbarer Bücher verewigt. Anfangs war er darin ein Pionier, große  Bergtouren im Winter, oft als erste Winterbesteigung, durchzuführen, z. B. auf die Scesaplana. Schon 1887 bestieg er mit Michael Innerkofler die Kleine Zinne, damals die schwerste  Kletterfahrt in den Dolomiten.

Im hüfttiefen Schnee wühlte er sich in 8 Stunden von Galtür auf die Jamtalhütte. Die von Norwegen in die Alpen gebrachten Skier lehnte er aber als zu gefährlich ab.

Das wussten die großen Skipioniere der Sektion um die Jahrhundertwende aber dann doch besser. Im November 1905 gründete Emil Schaller mit skibegeisterten Freunden die Schneeschuh-Abteilung der Sektion Schwaben im DAV, die SAS, den ersten Skiverein Württembergs. Aus der SAS sind bedeutende Persönlichkeiten der Sektion und Spitzenkönner des Skisports hervorgegangen. Die jungen „Rennsäue“ machen der nun auch schon über einhundert Jahre alten SAS und der Sektion Schwaben weiterhin alle Ehre. Die Schwarzwasserhütte und das Harpprechthaus würden ohne den ideellen und finanziellen Anschub aus der SAS vielleicht bis heute nicht stehen.

 

Unsere Altvorderen waren sehr wohl an der alpinistischen Erschließung der Alpen beteiligt, vielleicht nicht spektakulär, aber doch erfolgreich. Zahlreiche Berge wurden erstmals bestiegen, Wände und Grate erstmals erklettert. Das kann hier nicht im einzelnen ausgeführt werden

Zu den bedeutendsten Erstbegehungen schwerer Kletterwege in den Alpen durch Sektionsmitglieder und hier als „einer für alle“ genannt, gehört der Nordwestpfeiler   desPiz Cengalo im Bergell. Fred Gaiser und Bertl Lehmann waren Mitte der dreißiger Jahre eine der  erfolgreichsten Seilschaften im süddeutschen Raum – und  die Badile-Nordostwand war eine der ganz großen noch nicht durchstiegenen Wände. Als Gaiser und Lehmann 1937 mit diesem Ziel  auf der Sciorahütte eintrafen, brannten dort schon die Seilschaften Cassin, Ratti und Esposito und Molteni und Valsecchi auf die gleiche Wand. Gaiser und Lehmann überließen aus kluger Einsicht die Badilewand den Italienern und wanden sich gleich dem nächstgelegen großen Problem zu. In knapp 11 Stunden stiegen sie über den 950 m hohen Granitpfeiler des Piz Cengalo und beobachteten dabei das Klettern der Seilschaften in der Badilewand, die erst am 3. Tag nach schwerem Wettersturz den Gipfel erreichten. Der Abstieg wurde zum dramatischen Kampf, Molteni und Valsecchi starben an Erschöpfung.

Riccardo Cassin gelang die 2. Begehung des Cengalopfeilers, allerdings mit einem Biwak und nicht so schnell wie die schwäbischen Erstbegeher.

Leistungsstarke Bergsteiger und Kletterer unserer Sektion waren in allen großen Wänden, an Pfeilern und auf Graten der Alpen unterwegs. Ich wollte einige nennen, aber bevor ich ins schwärmen und schwelgen komme: ein Bild steht für hunderte der schweren und schwersten Wege, die die Freunde gegangen sind. Und dabei hat mancher sein Erlebnis und seinen Erfolg einfach bescheiden verschwiegen. Beim Sammeln „wer was gemacht hat“, wurde bald klar, es wäre viel einfacher zu beschreiben, welche große Bergfahrt in den Alpen noch keinen Schwaben gesehen hat, als das Tourenbuch für die Mitglieder unserer Sektion zu führen.

 

Trotzdem darf eine kleine Auswahl der besonders erfolgreichen Bergsteiger unserer

Sektion gezeigt werden, denen große Fahrten, schwerste Wege oder ganz hohe Berge gelungen sind. Natürlich steht außer Frage, es müssten sicher noch viele „Köpfe“ mit auf’s Bild. Darf ich es aber so sagen, das schönste an dieser etwas zufälligen Sammlung: Alle sind noch da, und einige sogar heute im Saale.

Auch tragische Ereignisse sind an der Sektion Schwaben nicht vorübergegangen. Wir haben Freunde und Mitglieder in den Bergen verloren, junge Menschen, erfahrene Bergsteiger und bekannte Namen aus unserer Geschichte sind darunter, Peter Hardegg und Willi Baum durch Seilriss auf schweren Touren im Wetterstein, Hilde Rühl und ihr Gefährte an der Schüsselkarspitze, Ozze Heitz am Matterhorn, Karl Reinhold im Dauphine, Hans Schweizer und Günter Hauser in den Anden, Peter Mezger am K2. Diese Namen sind keine Heraushebung gegenüber den Anderen, sondern als Ankerpunkte der Erinnerung an alle Bergfreunde gedacht, die in den Bergen geblieben sind.

Als ganz besonders schwere Ereignisse hat uns der Lawinentod junger Menschen auf Führungstouren der Sektion getroffen. In der öffentlichen Wahrnehmung und bei den Zurückgebliebenen stößt bei solchen Karastrophen das Verständnis für unsere Bergbegeisterung an schwere emotionale und rationale Grenzen.

 

Seit über einhundert Jahren wurden mit der Entwicklung des Klettersports auch die Felsen der Umgebung, besondere der Schwäbischen Alb und des Donautals, als Trainingsmöglichkeit und Kletterheimat entdeckt. Unter den großen Pionieren und Spitzen-kletterern waren auch Sektionsmitglieder. Einige Freunde wurden schon genannt, die auch ihre Wegspuren im Fels der Alb hinterlassen haben.

Wer erinnert sich noch an die Knödler-Verschneidung in der heute leider gesperrten Heimenwand? Da waren wir als junge Kerle doch mächtig stolz, wenn wir den Wegen großen Meister folgen konnten.

Aus besonderem Anlass nenne ich heute nur drei Namen: Den Kühners Fritz, die Tochter Gretel, heute unsere Jubilarin mit 75 Mitgliedsjahren, und Walter Knödler.

Fritz Kühner war ein lebenslänglich exzellenter Kletterer und einer der besten der Stuttgarter „Arbeiterbergsteiger“. Wie man in dem herrlichen Buch und Dokument „Hart am Trauf“ von Nicholas Mailänder nachlesen kann, hat sich Fritz Kühner gern darüber amüsiert, dass er als  erklärter idealistischer Kommunist und einfacher Dreher bereits 1920 einen Bürgen gefunden hat und in die „Herrensektion der Schwaben“ eintreten konnte. Sein bestes Stück aber, die Tochter Gretel, hat er dann einem der aktivsten und erfolgreichsten, aber stillen Kletterer im Schwabenland als Berg- und Lebenskameradin anvertraut, Hochzeit war auf dem Harpprechthaus. Walter Knödler ist 1980 durch einen Bergsturz am Hohen Göll ums Leben gekommen.

Die Chronik der Frauen in unserer Sektion ist leider noch nicht geschrieben.

Die Sektion Schwaben war anfangs ein reiner Männerverein, auch wenn die Gründung im Damencafé stattfand. Erst 1885 wurden auch die Damen zum „Jahresessen beigezogen“, worauf dieses „einen wesentlich anderen Charakter annahm“.

1888 wurde im Dachstock der Jamtalhütte ein „abgesondertes Damenzimmer mit 2 Betten eingerichtet“. Von da an ging’s bergauf mit den Frauen in der Sektion.

Theodor Wundt und seine Frau Maud aus England stiegen 1893 als Hochzeitsreise auf’s Matterhorn, und zwar als Überschreitung. Und das innerhalb weniger Tage gleich zwei Mal, wegen der am 1. Tag im Nebel und schweren Gewitter verpassten Aussicht.

Hildegard Haehnle, 1883-1979, aus Giengen/Brenz war 74 Jahre Mitglied in der Sektion und hat als Mädchen und junge Frau mit ihrem Mann noch echte Erschließungsarbeit in den Ötztaler Alpen und anderen Gebirgsgruppen geleistet. Sie war bis ins hohe Alter eine passionierte Bergsteigerin und Skifahrerin.

Andere Mädchen und Frauen, auch unsere Jubilarin Gretel Knödler, waren auf Routen aller Schwierigkeitsgrade auf der Alb, in den Alpen und in den Hochgebirgen der Erde unterwegs. Es gab Erstbegehungen, Wiederholungen und erste Damenbegehungen zahlreicher klassischer schwerer Routen, reine Damenseilschaften, z.B. an der Schleierkante in den Dolomiten, das war übrigens auch die Hochzeitsreise unserer Jubilarin, eine Damen Solo-Begehung der Heimenwand auf der Alb, und heute ist die deutsche Jugendmeisterin im Speedklettern, Isabell Haag, in unseren Reihen.

Und nicht zu vergessen: Aus mancher „gemischten“Seilschaft ist mehr geworden und manchmal sogar alpiner Nachwuchs hervorgegangen.

 

Wohl kaum ein Gebirge der Erde war vor der Abenteuerlust, dem bergsteigerischen Tatendrang und der Entdeckungsneugier der Schwaben sicher. Aber auch hier erschöpft sich heute die Chronik der Sektion in den sehr vielen Unternehmungen, wobei

die ganz hohen Berge wie die 8000er des Himalayas und die ganz schweren Touren wie z. B. die Riesenwände des Torre Escudo in Patagonien oder des Nameless Tower im Karakorum als Leistung aus dem eroberten Gipfelmeer herausragen.

Bereits 1930 war unser Mitglied Hermann Hoerlin mit auf einer sehr erfolgreichen Epedition in das Kangchenzönga-Gebiet (8585 m) im Himalaya. Der schweizerische Himalaya-Pionier und Epeditionsleiter Günter Oskar Dyhrenfurth schrieb damals: Um die Teilnahme ihres Mitglieds zu ermöglichen, gab die Sektion Schwaben einen größeren Zuschuss. Für diese nicht nur materiell, sondern auch moralisch bedeutsame Unterstützung danke ich auch an dieser Stelle herzlich und beglückwünsche die Sektion, der anzugehören ich selbst die Ehre habe“.

Wegen der Rassenidiologie der NS-Herrschaft in Deutschland ist Dyhrenfurth 1934 wieder aus der Sektion ausgetreten, seine Frau war jüdischer Abstammung.

Hoerlin erreichte bei der Erstbesteigung des Jonsong Peaks, 7470 m, an der Dreiländer-ecke von Sikkim, Nepal und Tibet, den höchsten bis dahin betretenen Gipfel der Erde.

 

Auf der Anden-Kundfahrt der Sektion Schwaben 1957 wurde mit dem Alpamayo einer der allerschönsten Berge weltweit und insgesamt 12 prächtige Andengipfel erstmals bestiegen. Die Teilnehmer dieser erfolgreichen Expedition haben unter der Leitung von Günter Hauser auch Maßstäbe gesetzt, wie Abenteuer, Bergsteigen, Kultur und Geschichte eines fernen Gastlandes auf Reisen erkundet werden können. Eine ganze Reihe von Expeditionen und Unternehmungen aus der Sektion sind diesem Vorbild gefolgt und haben auch den wunderbaren Eisgipfel des Alpamayo noch mehrmals erreicht.

 

Die Riesen des Himalayasind die höchsten Berge der Erde und ihre Besteigung immer noch Traum und höchste Leistung vieler Bergsteiger.

Bereits 1954 war Günter Hauser am noch unbestiegen Broad Peak, 8047 m. An den Durchsteigungsversuchen der Rupalflanke des Nanga Parbats, 8125 m, der mit 4500 m höchsten Steilwand der Erde, waren auch 3 Sektionsmitglieder beteiligt. Einer davon erreichte 1968 die bis dahin höchste Stelle in dieser Wand auf 7100 m, bevor eine weitere  Expedition 1970 den schweren Weg bis zum Gipfel vollendete.

Peter Mezger gelang 1990 nach tagelangem Ringen in der Todeszone über 7000 m der Weg auf den Gipfel des Nanga Parbats. Auch Broad Peak, Shisha Pangma, 8013 m, und  Cho Oyu, 8189 m, gehören zu den Achttausender-Erfolgen sektions-schwäbischer Bergsteiger, genauso wie eine stattliche Reihe z. T. sehr schwieriger Sechs- und Siebentausender, die erstmals oder wiederholt bestiegen wurden, darunter auch die Ama Dablam, gewaltiger und sehr schwieriger Torwächter vor dem Mount Everest.

 

Nicht alle Freunde sind von den ganz hohen Bergen zurückgekehrt. 1954 ist Karl Heckler, damals einer der allerbesten Gebirgskartografen, auf dem Rückweg aus dem Karakorum in den Hunzafluss gestürzt und ertrunken.

Es hätte die Krönung eines Bergsteigerlebens werden können. Der Leiter der Bergsteigergruppe und Vorstandsmitglied der Sektion, Peter Mezger, erreichte 1993 den Gipfel des K2, mit 8612 m zweithöchster Berg der Erde und schwierigster aller Achttausender. Im Abstieg verlor sich seine Spur. Erinnerung und Trauer sind bis heute gegenwärtig.

 

Liebe Bergfreunde, mit diesem Rucksack voll Tradition, einem hohen Einsatz einst für die Erschließung der Bergwelt und heute für deren Erhaltung, mit tüchtigen Vorfahren und starken bergsteigerischen Leistungen können wir uns ganz getrost sagen: ...wenn die Sonne wieder aufgeht, steigen wir weiter.


Anschließend wurden in Kurzreferaten aktuelle Aktivitäten aus der Sektion vorgestellt:

  • Jörg Stein: Das Leben in den Bezirksgruppen
  • Ulrike Messerschmidt: Wandern und Bergsteigen, Erlebnis in der Gemeinschaft
  • Regina Stoll: Mit der Familie in die Natur und in die Berge
  • Julian Richter & Philipp Bongarz: Aktive Jugend
  • Eugen Dierenbach & Team: Sport- und Wettkampfklettern – die schnelle Spitze
  • Wilhelm Schloz: Und vieles mehr (aktive Senioren, Fachübungsleiter-  Ausbildung und Kursprogramm, Schutz der Bergwelt, Gruppe Natur und Umwelt)

 

Autor: Dr. Wilhelm Schloz