© Sandra Holte

GR20 im Oktober

Doppelte Etappen bei völliger Autonomie

17.11.2018

Wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind es überfüllte Wanderwege. Der GR20 auf Korsika muss wohl insbesondere im Sommer eine magnetische Wirkung auf viele haben. Wenn die Hütten jedoch nicht mehr bewirtschaftet sind, bietet dieser Fernwanderweg die Möglichkeit fast keine Menschenseele zu treffen. Und das bei doppelter Etappenlänge!

Da jedoch auch eine Menge Organisation zu solch einer Tour in völliger Autonomie (Selbstversorgung) gehört, will dieses Abenteuer gut vorbereitet sein. Bei der Recherche im Vorfeld half mir allen voran der etwas ältere Bericht von Randonner Malin. François war mit seinem Bekannten 2012 ebenfalls im Oktober unterwegs und hat 7 Tage für die 15 Etappen gebraucht.

Ganz so eilig hatten wir es nicht. Aufgrund begrenzter Urlaubskapazitäten mussten wir die Wanderung zudem auf zwei Jahre aufteilen und gingen den Nordteil (Calenzana-Vizzavona) 2017 in 4 ganzen und 2 halben Tagen. Den Südteil (Vizzavona-Conca) schafften wir 2018 in 4 ganzen Tagen. Hier eine Übersicht über unsere Etappen und Varianten:

Tourenplanung

Für die genaue Etappenplanung ist der Rother Wanderführer eine zuverlässige Quelle, die auch zahlreiche Vorschläge für Varianten enthält. Die IGN-Karten im Massstab 1:25.000 gibt es in einer wasserabweisenden Variante. Zusätzlich kann man die Tour Mithilfe von alpenvereinaktiv.com am PC planen und mit der zugehörigen App auf dem Handy offline speichern. Infos zum aktuellen Zustand des Weges erhält man auf der Facebook-Seite des GR20 und per E-Mail an infos@pnr-corse.fr.

Aufgrund der zahlreichen zur Verfügung stehenden Planungshilfen möchte ich in diesem Beitrag eher auf die Ausrüstungswahl und die die kleinen Feinheiten unterwegs eingehen.

Ausrüstung

Da wir oft doppelte Etappen gingen mussten unsere Rucksäcke so leicht wie möglich sein und doch alles Wichtige beinhalten. Hier findet ihr eine Übersicht über den Inhalt unserer Rucksäcke. Weitere Details zur Ausrüstung gibt es weiter unten in diesem Artikel.

Technik & Kondition

Der GR20 wird als einer der schwersten Wanderwege Europas gehandelt. Meines Erachtens stammt diese Bewertung aus einer Zeit, in der es keine Hütten gab. Es handelt sich bei Weitem nicht um einen Spaziergang, doch wer trittsicher und schwindelfrei ist, wird den GR20 gut hinter sich bringen. Insbesondere für die alpinen Varianten (UIAA II), jedoch auch an zwei Stellen des Normalwegs ist Klettervermögen (UIAA I) gefragt. Kraxeln muss man ebenfalls ein paar Mal.

Begeht man den GR20 in den vorgeschlagenen 15 Etappen, bleibt stets ausreichend Zeit für die einzelnen Touren. Wer doppeln mag, sollte diese Belastung im Vorfeld testen. In jedem Fall testen sollte man das Gehen mit Gewicht. Wir machten im Vorfeld eine 2-Tages-Tour im Juli 2017 und stellten daraufhin noch einmal Teile unseres Gepäcks um.

Anreise

Wer wie wir ein eigenes Fahrzeug hat, muss dieses entweder am Ausgangspunkt oder Ziel abstellen. Wir entschieden uns jeweils für das Ziel und konnten es freundlicherweise bei der Gite d’étape La Halte du Prince in Vizzavona bzw. bei unserer netten AirBNB-Unterkunft in Conca stehen lassen. In Vizzavona verbrachten wir jeweils die Nacht vor dem Start. Es stehen Zeltplätze und kleine Blockhütten zur Wahl. Auch gibt es ein Restaurant und einen kleinen Shop mit Lebensmitteln.

Vizzavona-Calenzana
Erfreulicherweise fährt der Zug auch im Oktober sehr regelmäßig, was die Anreise vereinfacht. Wir wollten am ersten Tag direkt noch eine Etappe gehen und fuhren morgens Richtung Calvi los. Calenzana ist nur per Bus erreichbar. Dieser fährt jedoch nur einmal am Nachmittag, weshalb wir uns fürs Trampen ab Alzeta entschieden und prompt Glück hatten.

Conca-Vizzavona
Ab Conca soll es einen kleinen Shuttlebus geben, der von der Gite d’étape angeboten wird. Da diese leider nicht auf unsere Anfragen reagierte, entschieden wir uns für eine AirBNB-Unterkunft, die uns freundlicherweise ins 5 Kilometer entfernte Saint Lucie de Porto Vecchio zur Bushaltestelle brachte. Von dort fährt 2x täglich ein Bus Richtung Bastia, der auch in Casamozza hält. Dort kann man in den Zug nach Vizzavona umsteigen. Wir entschieden uns für die Nachmittagsfahrt und kamen somit um 19:30 Uhr in Vizzavona an.

Infos zu den Buslinien
Infos zum Zug

Übernachtung

Die Hütten am GR20 sind in der Regel sehr einfach und nicht mit den bewirtschafteten Hütten oder Selbstversorgerhäusern des Alpenvereins zu vergleichen. Neben einer Küche (Gas ist i.d.R. vorhanden!) und Sitzmöglichkeiten gibt es stets einen Kamin, in dem Feuer zum Aufwärmen gemacht werden kann. Der Schlafraum mit Betten und Matratzen (keine Decken!) ist von diesem Aufenthaltsraum getrennt. Da es in vielen Hütten Bettwanzen geben soll, entschieden wir uns zu zelten. Das bedeutet zwar ein Mehrgewicht von knapp 1 kg (Zelt + Luftmatratze oder Isomatte), doch das Aufwachen mit der Sonne und zu Bett gehen unterm Sternenhimmel sind dies allemal wert.

Die Hütten am GR20 sind im Oktober nicht mehr bewirtschaftet. Die Ausnahme bildete bei uns Haut Asco, die auch Anfang Oktober noch bewirtschaftet war und sogar warmes Wasser, Essen und Getränke bot. Wird die Hütteninfrastruktur der nicht bewirtschafteten Hütten genutzt, so ist eine Gebühr von 10 EUR pro Person/Nacht zu entrichten. Hierfür befindet sich in der Hütte eine Box (häufig ein Schlitz in der Wand), wo das Geld eingeworfen wird. Wer das Gas zum Kochen oder Feuerholz nutzt, sollte auf jeden Fall auch zahlen – selbst wenn nicht in der Hütte genächtigt wird. Die meisten Hütten werden nur per Helikopter versorgt. Diese Kosten sollte man als Nutzer mit tragen.

Die Zeltplätze befinden sich meist nah bei der Hütte, manchmal muss man jedoch etwas Ausschau halten, um sie zu finden. Häufig sind sie mit kleinen Steinkreisen gekennzeichnet. Achtung: Wildes Campen ist am gesamten GR20 verboten!

Zelt

Wir haben ein Doppelwandzelt verwendet. Manche schlafen ganz ohne Zelt draussen, andere verwenden nur ein Tarp. Unser Zelt von DD Hammocks (Superlight Pyramid Tent) bietet beide Möglichkeiten. Aufgrund der nächtlichen Kälte und tierischem Besuch (Füchse!!) verwendet wir stets das Innenzelt und das Tarp-Aussenzelt.

Isomatte/Luftmatratze

Nach ausführlichem Probeliegen entschieden wir uns für Luftmatratzen von Therm-a-rest (NeoAir Xlite). Diese bieten bei äusserst geringem Gewicht und Packmass überdurchschnittlich viel Komfort und isolieren sehr gut. Die Härte lässt sich beim Liegen sehr leicht anpassen.

Der Schlafsack sollte einen Komfortbereich leicht unter dem Gefrierpunkt besitzen. Die höchstgelegene Hütte befindet sich auf knapp 2.000 m. Entsprechend kalt kann es im Oktober werden. Wir haben Daunenschlafsäcke verwendet, da diese bei geringem Packmass eine optimale Wärmeisolierung garantieren.

Verpflegung

Als wir auf dem Nordteil wanderten, hatten wir nebst selbst kreiertem Frühstück aus Haferflocken und Nüssen (wahlweise mit Creamed Coconut oder Wasser am Vorabend zubereitet) und selbst gemachten Energiekugeln verschiedener Geschmacksrichtungen für unterwegs fertige Trekkingnahrung vom Globetrotter dabei, die überraschend gut schmeckte.

Für den Südteil wurde das Frühstück um gefriergetrocknetes Obst ergänzt und weitere Flocken (z. B. Hirse) ausprobiert. Die Abendverpflegung machten wir diesmal im Sinne der Müllreduzierung und Kostenersparnis ebenfalls selbst: Polenta mit getrockneten Tomaten und Pilzen, Reisflocken mit Sojaschnetzeln und Kokos-Curry, Kartoffelbrei mit geschälten Hanfsamen. Alles nicht sonderlich schwer, mässig voluminös, sehr nahrhaft und vor allem schnell zuzubereiten.* Für unterwegs hatten wir diesmal salziges Studentenfutter und Riegel mit.

Jeder muss selbst entscheiden, wie viel er zu essen mitnimmt. Ein kleiner Testlauf im Vorfeld kann hierbei helfen. Empfehlenswert sind ca. 2.000 Kilokalorien pro Tag. Unterwegs gibt es nur wenige Möglichkeiten seine Vorräte aufzustocken: Haut Asco, Col de Vergio, Vizzavona, Bavella. Meist werden in den kleinen Shops Reis, Tomatensoße, Nüsse und die üblichen korsischen Kekse zu etwas teureren Preisen angeboten.

In den genannten Orten gibt es auch Restaurants, die eine willkommene Abwechslung bieten. Doch Achtung: Essen gehen ist teuer auf Korsika (ca. 20 EUR pro Person ohne Getränke).

*Im Gespräch mit einem Bekannten wurde ich auf die Möglichkeit des Dörrens mittels Dörrautomat hingewiesen. Das klang für mich so schlüssig, dass die Verpflegung der nächsten Weitwanderung definitiv damit zubereitet wird!

Wasser
An den Hütten ist stets eine Quelle vorhanden – nur beim Refuge de l’Onda mussten wir einmal Wasser aus dem nahe gelegenen Fluss holen und abkochen bzw. mit Filtern in Trinkwasser verwandeln. Aufgrund der nahe weidenden Tiere empfiehlt sich dies. Getrunken haben wir ausschließlich Wasser und Tee. Eine Elektrolyttablette sorgt für Geschmack, falls benötigt. Im Fall der Fälle sollte man auch Flusswasser purifizieren können. Wir hatten hierfür Micropur Tabletten dabei.

Kochen
Nach Möglichkeit haben wir mit unserem Alutopf (samt Deckel) in den Hütten gekocht. Als Backup hatten wir jedoch stets unseren Dosenkocher Marke Eigenbau und etwas Spiritus dabei. Das Zusatzgewicht merkt man kaum und die Gewissheit, im Fall der Fälle überall kochen zu können gibt viel Sicherheit.

Verpackung & Müll
Alle Lebensmittel sollten stets gut verpackt sein, da sie sonst wilde Schweine oder Füchse  magisch anziehen. Neben Tupperdosen sind Ziplocbeutel sehr empfehlenswert. Bereits bei der Planung sollte berücksichtigt werden, dass sämtlicher Müll mitgenommen werden muss. So empfiehlt es sich zum Beispiel, bei der Mitnahme von frischem Obst Äpfel oder Birnen zu wählen statt Bananen oder Mandarinen. Damit der Müll nicht unnötig Tiere anlockt, empfehlen sich auch hier Ziplocbeutel oder eine verschließbare Dose.

Bekleidung

Im Oktober kann es empfindlich kalt werden. Wir hatten das Glück keinen Regen- oder Schneetag zu erleben. Lediglich beim Versuch der Begehung einer Variante mussten wir aufgrund des eisigen und starken Windes abbrechen und eine andere Route wählen.

Da tagsüber die Temperatur leicht bis 20 Grad beträgt, sollte man sich also nach dem Zwiebelprinzip kleiden. Eine Zip-Off-Hose empfiehlt sich. Unterwäsche oder Socken kann man leicht mit Kernseife auswaschen oder in ausreichender Menge mitnehmen. Beim T-Shirt empfiehlt sich eine Funktionsfaser, die den Schweiß gut absorbiert. Wer keine Wollallergie hat, sollte über ein Merinoshirt nachdenken.

Unabdingbar sind Regenkleidung und ausreichend warme Oberbekleidung. Frostbeulen sollten ausserdem lange Unterwäsche und dicke Socken mitnehmen. Details finden sich in der Packliste.

Schuhe
Der GR20 verläuft nicht selten in hochalpinem, felsigem Gelände, das Trittsicherheit erfordert. Die Schuhe sollten entsprechend robust sein und über eine gute , profilierte Sohle verfügen. Wir haben unsere Trailschuhe ohne Sprengung und einer Sohlendicke von 2,5 cm verwendet (Altra Lone Peak). Ich besitze allerdings auch keine Wanderstiefel mehr, da ich bereits seit mehreren Jahren überwiegend auf Barfussschuhe umgestiegen bin. In jedem Fall sollten die Schuhe im Vorfeld bei einer mehrtägigen Wanderung mit Gepäck erprobt werden.

Als Zweitpaar für den Abend hatten wir noch ein Paar Five Fingers V-Run mit. Aufgrund der kühlen Temperatur am Abend kamen meine jedoch nicht zum Einsatz, weshalb ich sie von meiner Packliste streichen würde. Es kann allerdings seehehr angenehm sein, abends andere Schuhe zu tragen als tagsüber. Diese Entscheidung muss also jeder für sich treffen.

Stöcke
Für mich gehören Wanderstöcke bereits seit einigen Jahren zur Standardausrüstung in den Bergen. Insbesondere wenn man mit viel Zusatzgewicht unterwegs ist, lässt sich die Last so deutlich besser verteilen – mal davon abgesehen, dass wir für den Aufbau unseres Zelt einen Wanderstock benötigen. Empfehlenswert sind höhenverstellbare, leichte Stöcke. Meine ultraleichten Trailrunstöcke (Black Diamond Carbon Z) sind zwar nicht höhenverstellbar, bieten jedoch zwei Griffvarianten für normales Gehen und den Aufstieg.

Hygiene

Da an jeder Hütte eine Quelle vorhanden ist, stehen ausreichend Waschmöglichkeiten zur Verfügung. Das Wasser ist jedoch sehr kalt. Deshalb kann man die Körperhygiene schon einmal zurückfahren und nur die „schlimmsten“ Stellen anstatt des kompletten Körpers waschen. Mit einem guten Deo (z. B. Deocreme von Ponyhütchen) riecht man ohnehin kaum.

Ich persönlich verzichtete komplett aufs Haare waschen. Das kostet zwar etwas Überwindung, ist aber auch nicht weiter schlimm. Zum Waschen verwendeten wir ausschliesslich Kernseife. Ein kleines Mikrofaserhandtuch spart Gewicht und Platz.

Fürs Zähneputzen empfehlen sich eine naturverträgliche Zahnpasta oder die platzsparenden Dentatabs. Wer Zahnseide verwendet, sollte diese nach der Verwendung auch wieder mit ins Tal nehmen und dort entsorgen.

 

Toilette
Die Toiletten an den Hütten bleiben im Winter verschlossen. Um die Natur nicht mehr als nötig zu belasten, empfiehlt sich die Mitnahme einer Schaufel. Der Untergrund ist allerdings sehr hart. Auch sollte mit Klopapier sparsam umgegangen werden. Eine Podusche wie etwa Happypo ist hier eine hygienische und leichtgewichtige Ergänzung im Reisegepäck!

Frauen, die während der Wanderung ihre Tage haben, sollten darüber nachdenken, bereits im Vorfeld auf eine Menstruationstasse wie z. B. die Lunette umzusteigen. Dies erspart viel Müll unterwegs. Da Tampons oder Binden nicht binnen 6 Wochen verrotten, müssen diese mit ins Tal genommen werden!

Erste Hilfe

Standardmäßig sollten bei jeder Wanderung in den Bergen ein Erste-Hilfe-Set und eine Rettungsdecke im Rucksack sein. Seit einiger Zeit habe ich auch immer eine Rolle festes Tape dabei, das z. B. bei einem verstauchten Sprunggelenk hilft. Hier hilft es sich im Vorfeld mit den Klebetechniken auseinander zu setzen. Auch Desinfektionsspray und ein Biwaksack gehören seit einiger Zeit in meine Wanderapotheke. Ob Schmerzmittel, Anti-Durchfallmittel und weiteres mitzunehmen sind, muss jeder für sich entscheiden.

Eine Sonnencreme mit mittlerem Lichtschutzfaktor sollte auf jeden Fall eingepackt und verwendet werden.

Elektronik

Onlinejunkies werden enttäuscht sein vom GR20. Häufig gibt es kein Netz, auf vielen Hütten stehen keine Steckdosen zur Verfügung. Die gute Nachricht: Wer sein Handy ausschaltet und nur für den absoluten Notfall mitnimmt, kann das Ladegerät getrost zuhause lassen. In diesem Fall sollte auf jeden Fall eine Kamera mitgenommen werden. Das Zusatzgewicht einer Spiegelreflex sollten jedoch nur erfahrene Fotografen auf sich nehmen. Allen anderen sei versichert, dass auch eine Kompaktkamera oder eine GoPro ausreichend gute Bilder liefern wird.

Unabdingbar hingegen ist eine gute Stirnlampe. Diese gehört in jedem Fall ins Gepäck. Im Oktober sind die Tage kürzer, entsprechend muss damit gerechnet werden, dass das Zelt auch mal im Dunkeln aufgebaut werden muss. Der Weg zur Quelle ist ohnehin nicht beleuchtet.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Der GR20 ist mit dem richtigen Equipment sehr gut bei Selbstversorgung und außerhalb der Hauptreisezeit machbar. Wer gerne den ganzen Tag wandert, sollte sich überlegen doppelte Etappen zu gehen.